Ein Überblick über die versiegelten Flächen ist für die Kommunalverwaltungen vor dem Hintergrund der klimatischen Entwicklung von großer Bedeutung. Hieraus lassen sich etwa Maßnahmen zur Vermeidung von städtischen Wärmeinseln oder Entwässerungsproblemen ableiten. Daher hat der Kreis Recklinghausen zusammen mit der Westfälischen Hochschule eine Software entwickelt, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) eine Versiegelungskarte aus Fernerkundungsdaten erstellt. In der Vergangenheit wurden die Versiegelungsflächen anhand von Bildauswertung manuell erfasst, welches sehr zeit- und kostenintensiv ist. Über die Zeit hat sich die Qualität der zugrunde liegenden Bilddaten verbessert und auch die Sensorik wurde erweitert. So finden jährliche Befliegungen statt, bei denen Luftbilder mit einer Bodenauflösung von 10 cm aufgenommen werden. Neben den normalen Luftaufnahmen (RGB-Bilder) werden auch Spektralbereiche wie Nah-Infrarot erfasst. Daher bietet es sich an, das Identifizieren der versiegelten Flächen mittels KI-basierten Systemen durchzuführen.

Nach dem Umweltbundesamt ist eine Fläche versiegelt, wenn diese luft- und wasserdicht abgedeckt ist und dadurch die Versickerung sowie der Gasaustausch entweder erschwert oder verhindert wird.

Die Art der Versiegelung kann in 4 Stufen unterschieden werden:

  1. Vollversiegelung: undurchlässige Flächen, z. B. Gebäude, asphaltierte oder betonierte Straßen.
  2. Teilversiegelung: teildurchlässige Flächenversiegelungen (z. B. Dränasphalt) und undurchlässige Flächen mit durchlässigen Bereichen, z. B. Pflasterung mit Gehwegplatten oder Rasengittersteinen und offenen Fugen.
  3. Unterflurversiegelung und Verdichtung: durch Bauwerke oder durchmischten künstlichen Bodenauftrag (mit abdichtender Wirkung nach unten) im Untergrund werden Böden physikalisch und/oder chemisch so verändert, dass Ihre Funktionen beeinträchtigt sind. Befindet sich das Bauwerk unterhalb des B-Horizonts, also in der Tiefe des Grundgesteins (C-Horizont), kann man nicht mehr von einer Bodenversiegelung sprechen.
  4.  Indirekte oberirdisch abgeschirmte Flächen ohne Bodenkontakt: obwohl die Flächen durchlässig sind, können einzelne Austauchvorgänge gestört sein. So finden z. B. bei oberirdischen Rohrleitungen, Carports und Agrophotovoltaik-Systemen Gasaustauch und sogar biotische Prozesse statt, aber Versickerung und Verdunstung von Niederschlagswasser kann nicht auf der gesamten Fläche stattfinden, weil das Niederschlagswasser nicht alle Bereiche der Fläche erreicht.

Quelle: Umweltbundesamt: Abschlussbericht (TEXTE 141/2021)

Einblick in den Ablauf der KI

Das neuronale Netz der KI zur automatischen Erkennung muss zuerst trainiert werden. Dazu wird ein Trainingsdatensatz gebildet, indem jede Eingabe zu ihrer Soll-Ausgabe zugeordnet wird. In dem Projekt bedeutet dies, für verschiedene Gebiete werden die Luftbilder zusammen mit den Infrarotwerten als Eingabe betrachtet und vorgegeben, welche versiegelten Flächen dort vorhanden sind. Hier spielen die manuell erfassten und gepflegten Versiegelungsdaten des Emschergenossenschaft Lippeverband (EGLV) der vergangenen Jahre eine große Rolle. Ausgehend von den Trainingsdaten lernt das neuronale Netz selbstständig, welche Pixel und Infrarotwerte eine versiegelte Fläche repräsentieren und welche nicht. So ist es möglich die versiegelten Flächen aus den Fernerkundungsdaten in kurzer Zeit und guter Qualität zu erkennen. Durch die Auswertung verschiedener Zeitpunkte (zunächst 2018 und 2022) kann auch die Entwicklung versiegelter Flächen aufgezeigt werden. Die ermittelten Ergebnisse können an verschiedenen Stellen genutzt werden, wie den Kataster-, Stadtplanungs- und Umweltämtern.

Die fertige Software steht hier als Open-Source Produkt zur Verfügung. Über die Konfigurationsdatei kann ein beliebiges Gebiet angegeben werden, welches betrachtet werden soll. Außerdem muss ein WMS-Dienst übergeben werden, der die RGB- und Infrarotbilder bereitstellt. Falls die Versiegelungsergebnisse nach bestimmten Geometrien (z.B. Flurstücke) aggregiert werden sollen, kann dies über eine entsprechende Shape-Datei erfolgen.
Perspektivisch kann eine Weiterentwicklung erfolgen, indem weitere Daten (Oberflächenmodell o.ä.) hinzugenommen werden. Außerdem können die Ergebnisse mit weiteren Daten kombiniert werden. Im Projekt Sensordaten führt der Kreis Recklinghausen punktuelle Temperaturmessungen durch. Über eine Verknüpfung dieser Daten kann beispielsweise der Zusammenhang von Temperatur und versiegelten Flächen untersucht werden.
 

Interaktive Karte

In der folgenden Karte ist der Grad der Versiegelung zwischen 2018 und 2022 dargestellt, aggregiert auf die Geometrie von Flurstücken. Je röter eine Fläche eingefärbt ist, desto größer ist der prozentuale Anteil an versiegelter Fläche. Über den Regler unten links in der Ecke kann zwischen den Jahren gewechselt werden. Oben rechts in der Ecke gibt es eine Layerübersicht. So kann die Entwicklung zwischen 2018 und 2022 visualisiert oder die Hintergrundkarte geändert werden.

Einen ausführlichen Artikel, der sich tiefer mit den Trainingsdaten und den Aufbau des neuronalen Netzes beschäftigt finden sie im VDV-Magazin (03/23 - Wie eine Maschine Versiegelungskarten erstellt).